Die digitale Vernetzung unserer Gesellschaft hat viele Vorteile, schafft aber auch neue Angriffspunkte. Betriebsspionage oder Hackerangriffe, wie 2015 auf den Deutschen Bundestag, 2021 auf die größte US-Pipeline und das irische Gesundheitssystem sowie 2022 auf die Ukraine, zeigen potenzielle Gefahren. Am wichtigsten ist es, dass solche Angriffe nicht die Grundversorgung mit Wasser, Nahrung und Energie sowie die Verfügbarkeit von medizinischen Behandlungen, Telekommunikation, Transportmöglichkeiten und Geld wie auch funktionierende Medien und eine intakte Staatsverwaltung gefährden. Darum hat der Gesetzgeber begonnen, in diesen Bereichen Maßnahmen zur Stärkung der IT-Systeme zu schaffen.
Die Versorger zählen zu den kritischen Infrastrukturen. Im IT-Sicherheitsgesetz sowie dem Gesetz zur Umsetzung der NIS-Richtlinie werden sie zur Einhaltung von IT-Mindeststandards verpflichtet. Diese Gesetze traten 2015 und 2017 in Kraft.
Als Entscheidungsgrundlage für Regierung und Parlament wurde der Erfüllungsaufwand für Wirtschaft und die öffentliche Verwaltung durch eine Ex-ante-Schätzung vorab ermittelt und im Gesetzentwurf aufgeführt. Nach Inkrafttreten der Gesetze misst das Statistische Bundesamt diese Ergebnisse nach, um deren reale Auswirkungen zu überprüfen und so Entscheidungsgrundlagen für die Öffentlichkeit und Politik zu schaffen.
Die Nachmessung der beiden Gesetze hat ergeben, dass Betreiber kritischer Infrastrukturen aufgrund der Gesetzesänderungen zusätzlich 121 Million Euro pro Jahr für die Erreichung von Mindeststandards ihrer IT-Systeme ausgeben. Das Gesetz verpflichtet die Betreiber nun auch, diese Sicherheitsstandards nachzuweisen, was jährlich über 26 Million Euro an Kosten verursacht. Der Telekommunikationsbereich verfügte bereits zuvor über stärkere Maßnahmen und wurde zu seinen bisherigen Ausgaben von 554 Million Euro nicht zusätzlich belastet.
Aber nicht nur die Wirtschaft rüstet ihre IT-Infrastruktur auf, auch die Behörden. So sind die Ausgaben des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) um beinahe 30 Million Euro jährlich gestiegen und die des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der Aufsichtsbehörden der Länder, des Bundeskriminalamtes, der Bundesnetzagentur, des Bundesnachrichtendienstes und des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe um insgesamt weitere ca. 12 Million Euro im Jahr. Diese Behörden erarbeiten und überprüfen die Sicherheitsstandards, beraten zur IT-Sicherheit, wirken bei der Beseitigung von Sicherheitsmängeln mit, verfolgen Straftaten, sammeln sicherheitsrelevante Informationen und werten diese aus.
Der Wert der Nachmessung zeigt sich vor allem in der Korrektur von Annahmen aus der Ex-ante-Schätzung. So werden erheblich weniger IT-Sicherheitsvorfälle und BSI-Prüfungen vor Ort gemeldet als ursprünglich vermutet, sodass der Wirtschaft auch aufgrund geringer Aufwände pro Fall nur ein Erfüllungsaufwand von 68 000 statt ursprünglich geschätzt 20,9 Million Euro entsteht. Auch die Verwaltung wurde um 12,2 Million Euro weniger belastet als erwartet, davon um 4,7 Million Euro weniger im Bereich der Strafverfolgung.
Da die Weiterentwicklung der Digitalisierung und entsprechender Angriffsmöglichkeiten einen fortlaufenden Prozess darstellen, wurden weitere Gesetzesanpassungen nötig. Mit dem IT-Sicherheitsgesetz 2.0, welches 2021 in Kraft getreten ist, werden auch Siedlungsabfallentsorger sowie Unternehmen von besonderem öffentlichen Interesse, wie Rüstungshersteller und volkswirtschaftlich relevante Unternehmen, als Betreiber kritischer Infrastrukturen eingestuft. Inhaltlich müssen Systeme zur Angriffserkennung implementiert werden, Hersteller von IT-Systemen aus Drittstaaten müssen vertrauenswürdig sein und Nachweise über die IT-Sicherheit müssen alle zwei Jahre vorgelegt werden. Vorab wurde dabei ein jährlicher Erfüllungsaufwand von knapp 21,6 Million Euro für die Wirtschaft sowie 202,2 Million Euro für 1 585 neue Stellen in der Verwaltung erwartet.
Ferner hat die EU-Kommission in ihrer neuen Cybersicherheitsstrategie die Richtlinienvorschläge "NIS-2" und "Widerstandsfähigkeit kritischer Einrichtungen" vorgelegt, was eine erneute Verstärkung der nationalen Gesetze zur Folge haben könnte. Bislang waren die Mitgliedsstaaten für die Festlegung der Kriterien für die Einstufung als Betreiber wesentlicher Dienste zuständig. Durch die NIS-2-Richtlinie würden Schwellenwerte eingeführt werden, sodass alle mittleren und großen Unternehmen bestimmter Sektoren, d. h. ab 50 Beschäftigten oder über 10 Million Euro Umsatz bzw. Bilanzsumme, Cybersicherheitsmaßnahmen und Meldepflichten erfüllen müssten. Damit würden nach der EU-Folgenabschätzung etwa 110 000 EU-Einrichtungen statt bislang ca. 16 000 diesen Pflichten nachkommen müssen. Dies lässt eine erneut starke Steigerung des Erfüllungsaufwands im IT-Sicherheitsbereich erwarten, wobei die bisherigen Nachmessergebnisse bei der Einschätzung der möglichen Folgekosten der EU-Richtlinien hilfreich sein werden.
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